© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Wahlgeschenke jetzt – die Rechnung kommt später
Irland: Bei den kommenden Parlamentswahlen deutet sich ein Machtwechsel an / Linksnationalisten auf dem Vormarsch
Daniel Körtel

Kaum war nach den britischen Parlamentswahlen im vergangenen Dezember der Brexit fest terminiert und in der britischen Provinz Nordirland eine neue Regionalregierung installiert, kam auch Bewegung in die irische Innenpolitik.

Der Burgfrieden durch das Kooperationsabkommen der regierenden bürgerlichen Fine Gael (FG; Familie der Iren) mit der nationalkonservativen Fianna Fail (FF; Soldaten des Schicksals) und einer Reihe unabhängiger Abgeordneter, das der irischen Regierung eine stabile Basis in den Brexit-Verhandlungen der EU gab, wurde Mitte Januar nach knapp vier Jahren auf Initiative von Ministerpräsident Leo Varadkar durch Ausrufung von Neuwahlen am kommenden Samstag aufgehoben.

Doch Varadkars Kalkül, die irischen Wähler würden ihm die wirtschaftliche Erholung des Landes und seine beharrliche Verteidigung irischer Interessen in den Brexit-Verhandlungen in bezug auf die bislang offene Grenze mit Nordirland honorieren, scheint nicht aufzugehen.

Erstaunlicherweise war es sein ungeschicktes Handeln auf dem Gebiet der Geschichtspolitik, das ihn erste Sympathiepunkte kostete. Eine für Januar geplante und schließlich bis auf weiteres verschobene Zeremonie zum Gedenken an Polizeibeamte, die im Unabhängigkeitskrieg vor einhundert Jahren im Kampf gegen die irischen Freiheitskämpfer fielen, geriet zum öffentlichen Debakel. Auch sonst hängen die ungelösten Probleme der seit neun Jahren in der Regierungsverantwortung stehenden FG wie Mühlsteine um den Hals.

Die Grünen können auf ein Comeback hoffen

Drogenkriminalität, Rentenentwicklung, aber vor allem die katastrophalen Zustände im Gesundheitswesen und die besonders im Ballungsraum der irischen Hauptstadt Dublin grassierende Wohnungsnot brennen den Wählern auf den Nägeln.

Die Meinungsumfragen sehen trübe aus für die FG. Sie fällt mit 21 Prozent auf den dritten Platz, während sich mit jeweils 24 Prozent die oppositionelle FF mit der deutlich aufsteigenden linksnationalistischen Sinn Féin (SF; Wir selbst) ein überraschendes Rennen um die vorderste Position liefert.

Ein kleines Comeback gelingt offenbar im Zuge der Klimadebatte den bislang in der Versenkung verschwundenen Grünen, die auf sieben Prozent kommen. Mit fünf Prozent ist Labour nur noch ein Schatten einstiger Größe.

Derzeit sieht es nicht danach aus, als ob FG oder FF nach der Wahl eine Regierungsbildung aus eigener Kraft gelingen wird, zumal beide kategorisch eine Koalition mit der SF ausgeschlossen haben. Die SF hat aufgrund ihrer Vergangenheit als politischer Arm der Terrororganisation IRA (Irisch-Republikanische Armee) und ihrer ungeklärten Haltung zur Kriminalität den Status eines Parias im irischen Parteiensystem.

Dennoch punktet die SF mit ihrer populären Vorsitzenden Mary Lou MacDonald und einem Programm, das mit üppigen Staatsausgaben und höheren Steuern für die Besserverdiener und Banken wirbt sowie einem Referendum über die Wiedervereinigung mit Nordirland.

Die Konkurrenz versucht ihrerseits mit großzügigen Wahlgeschenken aus milliardenschweren Ausgaben bei gleichzeitigen Steuersenkungen aufzuholen.