© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 31/25 / 25. July 2025

Die kaum erwartete Verbrüderung

Irland/Nordirland: Der Frust über die zunehmende illegale Migration führt zu ungewöhnlichen Kooperationen

Daniel Körtel

Zuletzt war es der Brexit, der Hoffnungen weckte, die alte konfessionell-nationalistische Spaltung der irischen Insel in den republikanischen Süden und den pro-britischen Norden durch eine mögliche Wiedervereinigung in der nahen Zukunft zu überwinden. Doch nun scheint sich zwischen beiden eine außergewöhnliche Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf einer Grundlage anzubahnen. Anlaß ist die über die gesamte Insel verbreitete tiefe Frustration über den anhaltenden Zuwanderungsstrom.

Die Irish Times berichtete Anfang Juli über eine Studie der britischen Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue (ISD). Demnach kooperierten Gruppen aus dem rechten Spektrum der Irischen Republik und loyalistische Netzwerke, die besonders rabiat für die Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien eintreten. Es schien, als würden sie in ihrem Protest gegen den anhaltenden Zustrom vereint auftreten. Die Studie spricht hierbei von einem „bedeutenden Wandel in der politischen Landschaft“. Registriert wurde auch der Auftritt von Aktivisten der „Coolock Says No“, benannt nach einer Vorstadtregion Dublins. Anläßlich einer einwanderungskritischen Kundgebung im August vergangenen Jahres war es bereits unter Beteiligung dieser Gruppierung im nordirischen Belfast zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Freudenfeuer mit hölzernem Flüchtlingsboot sorgt für Aufsehen

Als besonders bemerkenswert befand die Studie die Anwesenheit eines 1993 wegen Totschlags an einem Katholiken verurteilten loyalistischen Paramilitärs, wie auch von Aktivisten aus Dublin, von denen einige in die irische Trikolore eingehüllt waren. Ebenso hervorgehoben wurde eine auf Youtube geführte Diskussion zwischen einem zuwanderungskritischen Politiker aus der Irischen Republik und einem weiteren früheren Loyalisten-Paramilitär. Letzterer hatte fast gleichzeitig zur Studienrepräsentation auf einer Kundgebung in Dublin betont, wie sehr das „Problem der offenen Grenzen“ für den Norden von Bedeutung sei.

Kommt dennoch über die Ablehnung der Zuwanderung die unwahrscheinliche Verbrüderung zwischen dem Norden und dem Süden der irischen Insel zustande? Der Weg dahin scheint noch sehr weit. Zwar hat sich in beiden Landesteilen das Unbehagen hierüber schon mehrfach ein gewalttätiges Ventil gesucht. Jedoch sind nicht einmal ansatzweise politische Verschiebungen zugunsten rechtspopulistischer Parteien in Sicht, zumal vor allem in der Republik solche Kräfte nur schwach vorhanden sind. Währenddessen sendeten die nordirischen Loyalisten zum 12. Juli ein deutliches Signal. An diesem höchsten Feiertag der nordirischen Protestanten wird des Sieges von 1690 über die katholischen Streitkräfte des abgesetzten englischen Königs Jakob II. gedacht. Nun sorgte in der Ortschaft Moygashel das traditionelle Freudenfeuer für Empörung in Politik und Medien. Auf der Spitze des Scheiterhaufens aus aufgetürmten Holzpaletten stand die Nachbildung eines Flüchtlingsboots mit einem Dutzend menschengroßer Puppen in Schwimmwesten darin, versehen mit dem Banner „stop the boats“, darunter ein weiteres Banner mit „veterans before refugees“, überragt von einer irischen Trikolore.

In der Republik Irland wiederum verliert das Migrationsthema trotz signifikant gesunkener Zahlen von Asylforderern nicht an Brisanz. Der für die rechte Kleinpartei Independent Ireland im Parlament sitzende Richard O’Donogue zeigte sich angesichts der Bevölkerungsveränderungen besorgt darüber, daß die Iren „in den kommenden Jahren“ zur Minderheit im eigenen Land würden. Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im Herbst werde seine Partei nur einen Kandidaten empfehlen, der „unsere Kultur in diesem Land unterstützt, so daß sie nicht ausgelöscht wird“. Seine Äußerungen wurden parteiübergreifend als „Mißinformation“ und „gefährlich“ verurteilt.