Im Nordwesten der Insel befindet sich Irlands einziger anerkannter Gnadenhof für Grautiere

Von Daniel Körtel, HNA-Sonntagszeit vom 03. Oktober 2004

Der Esel hat in der irischen Tradition und Landschaft einen ebenso festen Platz wie das Keltenkreuz und die immergrünen Weiten des Landes. In vormoderner Zeit war er das Allzwecktransportmittel der Iren, doch mit zunehmender Motorisierung ist er seltener geworden.

Obwohl diese sanftmütigen Langohren so sympathisch wirken, erfahren viele Esel in Irland eine schlechte Behandlung. Zum einen ist das auf ihren nachlassenden ökonomischen Nutzen zurückzuführen, zum anderen auf die tief in der irischen Kultur verankerte Vorstellung, Tiere hätten keine Seele und könnten somit keinen Schmerz empfinden.

© Daniel Körtel, 2004

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat vor 14 Jahren die Engländerin Sue Paling das „Sathay Sai Sanctuary for Donkeys“ gegründet, den einzigen vom irischen Staat als gemeinnützig anerkannten Gnadenhof für Esel. Im Nordwesten des Landes, in der Grafschaft Sligo, hat sie mehr als 20 Esel um sich geschart, die in einer malerischen Umgebung ihren Ruhestand genießen können. Sue betreibt diesen Gnadenhof mit nur einer einzigen Hilfskraft und hält neben den Eseln noch einige Mulis, Schafe, Pferde und Katzen.

Eigentlich sind Esel keine einheimischen Tiere in Irland. Sie sind Wüstentiere, die aus Asien und Afrika stammen, und erst vor rund 500 Jahren mit der englischen Armee auf die Insel gekommen sind. Den an die kargen Verhältnisse der Wüste angepassten Eseln können daher bei nicht artgerechter Haltung verschiedene Leiden widerfahren.

Zum einen nutzen sich durch den weichen Boden ihre Hufe schlecht ab. Dann wachsen sie wie Schnabelschuhe hoch und können am Bein scheuern, wenn sie nicht alle zehn Wochen nachgetrimmt werden. Das reichhaltige Gras der fetten irischen Wiesen verhilft den Zähnen zu schnelleren Wachstum, so daß diese mit einer großen Feile abgeschliffen werden müssen. Diese Prozedur ist für die Esel aber schmerzlos, denn sie haben im Gegensatz zum Menschen keine Nerven in den Zähnen. Verbreitet ist auch Laminitis, eine ernsthafte Entzündung unter den Hufen, die durch falsche Ernährung hervorgerufen wird und vergleichbar ist mit einem Abszeß unter einem Fingernagel. Das regenreiche Klima führt vor allem bei Jungtieren oftmals zu Lungenentzündungen, da Esel über keinen Regenschutz im Fell verfügen.

Sue kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Schützlinge, von denen nicht wenige in einem sehr vernachlässigten Zustand auf ihrem Hof ankommen, und sieht in ihrer Arbeit eine Vorbildfunktion für die Iren, die dem Tierschutz bislang wenig Beachtung schenkten. Die erste Tierschutzorganisation Irlands wurde zwar schon 1911 gegründet, hatte aber bislang nur wenig Einfluß auf die Gesetzgebung. Dennoch ist die Einstellung der Iren zur Kreatur im Wandel. Vor allem junge Iren zeigen sich heute offen für neue Ideen und hinterfragen die alten Werte und Ansichten.

Sue’s Gnadenhof für Esel ist jederzeit offen für Besucher, die sie persönlich durch die Anlage führt und in der sich auch ein kleines Informationszentrum befindet. Wem ein Esel besonders gut gefällt, der kann sogar eine Patenschaft für sein Lieblingstier übernehmen. Sue hält aus Altersgründen bereits Ausschau nach einem Nachfolger und wer weiß, vielleicht findet sich bei einer solchen Gelegenheit jemand, dem sie ihr Werk in gute Hände legen kann? Der Gnadenhof ist leicht zu finden im County Sligo: Auf der N4 von Sligo nach Dublin fährt man in Castlebaldwin ab in Richtung Carrowkeel. Nach wenigen Kilometern zeigt ein Schild die Abzweigung zum Gnadenhof an.

© Daniel Körtel

© Daniel Körtel