© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/07 16. November 2007

Gebettet in keltischer Erde
Volkstrauertag: In Glencree befindet sich der einzige deutsche Soldatenfriedhof Irlands / Bewunderung für die Zähigkeit eines Volkes

Daniel Körtel

Die Vorstellung eines deutschen Soldatenfriedhofs in Irland erscheint zuerst abwegig, da sich die Republik im gesamten Zweiten Weltkrieg strikt neutral verhielt. Und doch weist 16 Kilometer südlich von Dublin an der Military Road, die von Enniskerry zum Sally Gap führt, ein Schild in deutscher Sprache den Weg zu einer Grabanlage, die in kaum einem Reiseführer Erwähnung findet. Hier in Glencree, einer Ortschaft in der malerischen Umgebung der Wicklow Mountains, befindet sich der einzige deutsche Soldatenfriedhof in Irland, der die Gebeine von 134 deutschen Kriegstoten beherbergt.

Im Juli 1961 wurde der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in zweijähriger Arbeit angelegte Friedhof unter großer Anteilnahme der irischen Bevölkerung im Beisein des damaligen irischen Außenministers Frank Aiken eingeweiht. Die Anlage versammelte die bis dahin auf der Insel verstreuten Einzelgräber an dieser zentralen Stelle, einem stillgelegten Steinbruch, direkt neben einem Wildbach gelegen.

Die dort begrabenen Toten sind hauptsächlich abgestürzte Jagdflieger und Bomberpiloten sowie ertrunkene U-Boot-Fahrer des Zweiten Weltkriegs, die als „Strandgut des Krieges“ an die irische Küste trieben. Auch sechs Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs als Insassen eines Internierungslagers auf der grünen Insel verstarben, sind dort zur letzten Ruhe gebettet. Über die Hälfte der Toten konnte namentlich nicht ermittelt werden, da sie bei ihrer Bergung keine Soldbücher oder Erkennungsmarken mehr trugen.

Hoch über der Anlage steht am Rande des Steilhangs ein großes Keltenkreuz, wie es traditionell auf jedem irischen Friedhof zu sehen ist. Eine prismenförmige Granitstele beinhaltet in deutscher, englischer und gälischer Sprache einen tröstenden Sinnspruch, der den Besucher zum Gebet für die in Glencree gebetteten Toten auffordert, auf „daß sich Verlust in Segen verwandle“. Auf der Innenwand der kleinen Gedenkhalle ist das Goldmosaik einer trauernden Mutter aufgetragen, die ihren toten Sohn in Händen hält.

Der Berichterstatter des Volksbundes hob damals die freundschaftlichen deutsch-irischen Beziehungen hervor und lobte das besondere Entgegenkommen der irischen Behörden im Vorfeld der Errichtung der Anlage. Er sah darin ein Zeichen der Bewunderung der Iren für die Zähigkeit eines Volkes, das es auch nach zwei verlorenen Weltkriegen schaffte, sich aufzurappeln. Doch dürfte die Dankbarkeit für die – keineswegs selbstlose – deutsche Unterstützung der irischen Republikaner im Osteraufstand von 1916 ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Zweifel vieler Iren angesichts ihrer eigenen tragischen Geschichte, ob ihr früherer Kolonialherr Großbritannien den Zweiten Weltkrieg allein aus moralischen und rechtlichen Erwägungen heraus geführt hat.

Heute, mehr als 45 Jahre nach ihrer Einweihung, ist die einst offen angelegte Anlage fast vollständig von Bäumen umschlossen. Das damals noch weithin sichtbare Keltenkreuz ist von der Straße aus nicht mehr zu sehen. Obwohl sich der Friedhof im Vergleich zu manchen anderen deutschen Soldatenfriedhöfen in einem guten Zustand befindet, ist dennoch pflegerischer Handlungsbedarf angezeigt. Viele der Inschriften auf den Kissensteinen, die für jeweils zwei Grabstellen stehen, sind infolge von Oberflächenerosion nicht mehr zu lesen. Auf den Steinkreuzen wächst das Moos, das auf den Grabfeldern angelegte Erikakraut droht zu verwildern. Die letzte gartentechnische Überholung fand 2005 statt. Alljährlich wird auf dem Soldatenfriedhof eine von der deutschen Botschaft ausgerichtete offizielle Veranstaltung zum Volkstrauertag abgehalten.

Nur wenige Meter vom Soldatenfriedhof entfernt erinnert im Besucherzentrum des „Glencree Center for Peace and Reconciliation“ – eine der Friedensarbeit für Nordirland verpflichtete Begegnungsstätte – eine Ausstellung an ein anderes anrührendes, aber hierzulande unbekanntes Kapitel deutsch-irischer Beziehungen. Hier war von 1945 bis 1950 in der früheren britischen Armeekaserne das Auffanglager für zahlreiche vom Hungertod bedrohte Kinder aus dem zerstörten Nachkriegsdeutschland, die auf Initiative des Irischen Roten Kreuzes für drei Jahre Aufnahme in irischen Pflegefamilien fanden. Diese „Operation Shamrock“ (Kleeblatt) genannte Hilfsaktion fand zu einem Zeitpunkt statt, als Irland selbst zu den ärmsten Ländern in Westeuropa zählte.

Glencree im Internet: www.denkmalprojekt.org/misc_laender/glencree_ie.htm