Kevin O’Rourke
A Short History of Brexit
From Brentry to Backstop
Verlag Pelican Books, 2018
ISBN 978-0-241-39827-2
Euro 23,05

Kein anderer Punkt hat die EU-Austrittsverhandlungen des Vereinigten Königreichs so heikel gemacht wie die Zukunft der bislang offenen Grenze seiner Provinz Nordirland zur Republik Irland. Der irische Wissenschaftshistoriker Kevin O’Rourke erörtert die Sensibilität dieser Frage für den Friedensprozeß und welchen Einfluß die EU bislang darauf genommen hat. Ebenso legt er die frühe Geschichte der EG und speziell die Rolle Großbritanniens darin dar. Und so viel sei dazu verraten: Es ging dabei nie um ein utopisches Friedensprojekt, als daß es uns heutige Geschichtspolitiker verkaufen. Sehr lesenswert!

David McWilliams
The Pope’s Children – Ireland’s New Elite
Pan Books, 2003
Euro 15,73

Kein anderes Buch über die jüngere Geschichte Irlands fand ich so informativ, so faszinierend wie David McWilliams‘ „The Pope’s Children – Ireland’s New Elite“. Der irische Starökonom legt darin seine statistisch sehr gut begründete These vor, wonach der enthusiastisch gefeierte Besuch von Papst Johannes Paul II. auf der grünen Insel im Jahr 1979 den Iren neun Monate später den Peak eines demographischen Booms beschert habe, der später eine entscheidende Rolle in dem Aufstieg der Republik zum „Keltischen Tiger“ gespielt hat. Historische Ironie: Gerade auch diese Generation war treibende Kraft bei den Referenden zur Einführung der Homo-Ehe und der Abschaffung des Abtreibungsverbots.

Dieses Buch gab mir eine wichtige Grundlage für die Abfassung meines Hintergrundberichtes zum Irland-Besuch Papst Franziskus in 2018. McWilliams hat inzwischen mit „Renaissance Nation“ einen Nachfolger veröffentlicht.

Bill Rolston
Drawing Support 3
Murals and Transition in the North of Ireland
Verlag Beyond the Pale, 2003
ISBN 1900960236
Euro 12,90

Der Soziologe Bill Rolston dokumentiert seit mehreren Jahrzehnten die Entwicklung des Mural Painting, der typisch nordirischen Form politischer Straßenkunst. Seine Eindrücke und Beobachtungen veröffentlichte er in der Buchreihe „Drawing Support“, deren dritter Band mit 114 Farbfotos die Zeit von 1996 bis 2003 abdeckt und damit noch weiter zurückgeht als die in den Galerien auf dieser Seite ausgestellten Bilder. Viele der von Rolston aufgenommenen Bilder sind selbst in dieser jungen Periode, die der Autor als „die frustrierende Politik des Übergangs“ bezeichnet, verschwunden und somit selbst Teil der Geschichte des NI-Konfliktes geworden.

Freuen dürfen sich übrigens Besitzer von „Drawing Support 1“. Dieser inzwischen vergriffene Band ist nur noch antiquarisch erhältlich, zu Höchstpreisen von 120 Euro aufwärts!

Frank Otto
Der Nordirlandkonflikt
Ursprung, Verlauf, Perspektiven

Verlag C.H. Beck, 2005
ISBN 3-406-52806-6
Euro 12,90

Auf rund 160 Seiten bietet Frank Otto die kompakteste Übersicht zum Nordirlandkonflikt. Überwiegend deskriptiv gehalten und sich über die gesamte Darstellung hinweg weitgehend jeglicher parteilicher Wertung enthaltend, spannt er den Bogen von der als „Plantation“ bezeichneten Ansiedlung englischer und schottischer Siedler im Ulster des 16. Jahrhunderts bis zum Juni 2004, wo er den Schlußpunkt bei den nordirischen Ergebnissen zu den Wahlen zum Europaparlament setzt. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß alles wesentliche zum Nordirlandkonflikt. Allerdings hätte Otto seine Antwort zu der Frage, warum in Irland die Katholiken irischer Identität und die Protestanten britischer Herkunft – im Gegensatz zu anderen europäische Völkern mit unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen – zu keiner gemeinsamen nationalen Identität fanden, mit passenden positiven Gegenbeispielen untermauern sollen. Mir ist kein positives Beispiel bekannt, wo das gelungen wäre. Ähnliche Fälle wie beispielsweise in Böhmen und Mähren zwischen Tschechen und Deutschen führten sogar in eine Katastrophe, die die nordirischen „Troubles“ weit in den Schatten stellt.

Christian Ludwig Knoll
Nordirland – Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert
Nordthor Verlag, 2004
ISBN 3-8334-1059-0
Euro 14,90

Dieser 2004 von Christian Ludwig Knoll herausgegebene Sammelband bietet Beiträge einer Reihe versierter Autoren über Geschichte, Gegenwart und Ausblick des vor zehn Jahren eingeleiteten Friedensprozesses in Nordirland an. Darunter fallen Themen wie die paramilitärische Selbstjustiz („knee-craping“), das wirtschaftliche Beiprogramm der Clinton-Administration mit kritischer Würdigung, eine Darstellung republikanischer Dissidentengruppen sowie eine Erörterung des Hasses als emotioneller Motor des Nordirlandkonfliktes. Bedauerlicherweise wird der Fokus zu stark auf das nationalistische Lager eingestellt. Lediglich der Verlust der Vorherrschaftsstellung und das damit einhergehende Demographieproblem werden herangezogen, um die Abneigung der protestantischen Mehrheitsgesellschaft gegen den Friedensprozeß zu nachzuvollziehen. Das alleine erklärt aber nur unzureichend, warum die Protestanten auch nach zehn Jahren Friedensprozeß die Katholiken teilweise immer noch unversöhnlich als Feinde wahrnehmen.

Fragwürdig ist der von Thomas Pfeiffer unternommene Versuch („It’s Derry – not Londonderry!“), die Erkenntnisse des Bielefelder Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer als Erklärungsmuster für politisch-religiöse Gewalt auch auf nordirische Verhältnisse zu übertragen. Heitmeyer geht von einem inzwischen überholten Behaviorismus aus und fasst zu weiträumig die eigenidentitätsbezogene Ablehnung anderer Gruppen als Merkmal quasi psychopathologischen Verhaltens auf. Mit derartigem „Sachwissen“ ausgestattet wird ein Unterhändler keinen weiteren Friedensnobelpreis für Nordirland gewinnen können.

Glenn Patterson
Hausnummer 5
Verlag Kiepenheuer und Witsch, 2004
ISBN 3-462-0367-0
Euro 19,90

Neben Column Mc Cann und Colm Toíbín gehört der aus Belfast stammende Protestant Glenn Patterson zu der neuen Generation vielversprechender Literaten von der grünen Insel. Im Mittelpunkt seines neuesten Romans „Hausnummer 5“ steht ein einfaches Reihenhaus in einer Ende der 1950er Jahre errichteten Vorstadtsiedlung bei Belfast. Humorvoll begleitet Patterson die Schicksale der verschiedenen, einander nachfolgenden Eigentümer mit ihren banalen, tragischen und oftmals grotesken Erlebnissen durch die Jahrzehnte bis heute. Der nordirische Konflikt spielt dabei nur im Hintergrund eine Rolle, hat aber dennoch spürbare Auswirkungen.

Peter Neumann
IRA – Langer Weg zum Frieden
Eva, 2002
ISBN 3-434-46119-1
Euro 12,50

Dank seines Studiums der Politikwissenschaften in Belfast hatte der aus Deutschland stammende Peter Neumann leichten Zugang zu umfangreichen Quellenmaterial zum nordirischen Konflikt. Das daraus entstandene Buch „IRA – Langer Weg zum Frieden“ ist sehr lesenswert und in der vorliegenden Auflage das jüngste, deutschsprachige Werk zum Nordirland-Konflikt. Unverkennbar ist, daß Neumann überwiegend die unionistische Sichtweise sich zu eigen gemacht hat und dabei der IRA/Sinn Féin ein hohes Maß an Verantwortung für die Eskalation der Lage zuschreibt. Dabei erlaubt er sich aber auch den „Schnitzer“, die loyalistischen Pogrome von 1969/70, bei denen u.a. fast die gesamte Falls Road in Rauch aufging, nur am Rande anzuhandeln.

Interessant ist, wie Neumann den langen Veränderungsprozeß im republikanischen Lager im Zusammenhang mit der Weltlage anfang der 1990er Jahre ausführlich beschreibt, als der „wind of change“ in Konfliktgebieten wie Palästina und Süd-Afrika für ein Aufbrechen der starren Fronten sorgte, was nicht ohne Einfluß auf die mentale Lage der nordirischen Fraktionen blieb. 

Pit Wuhrer
Die Trommeln von Drumcree
Nordirland am Rande des Friedens
Rotpunktverlag, 2000
ISBN 3-85869-209-3
Euro 17,00

Zu den erfahrensten Kennern Nordirlands im deutschsprachigen Raum zählt Pit Wuhrer. Der Journalist der Schweizer Wochenzeitung „WoZ“ hatte dort bereits in den 1980er Jahren umfangreiche Recherchen zum Nordirland-Konflikt vorgenommen, den er damals noch aus der marxistischen Perspektive des Klassenkampfes deutete und daraus eine sehr unkritische Sympathie zur Sinn Féin/IRA entwickelte. Diese Brille hat er nun offenbar durch den Zusammenbruch des Kommunismus abgelegt. Gleichwohl sind auch in seinem aktuellen, sehr informativen Werk „Die Trommeln von Drumcree“ die weit links ausgerichteten Deutungsmuster erhalten geblieben. Zu dem historischen Rückblick des Konflikts stellt Wuhrer eine umfangreiche Analyse der Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung auf die nordirische Gesellschaft und damit auf den Friedensprozeß, wobei er auch die Rolle der irischen Republik, den „keltischen Tiger“, miteinbezieht.

Das Karfreitagabkommen unterzieht Wuhrer einer kritischen Würdigung. Seltsamerweise würde es von der nationalistischen Seite als Sieg gefeiert, obwohl das Ziel einer wiedervereinigten irischen Republik nicht erreicht wurde, während die Unionisten das Abkommen mit Mißtrauen begegnen, obgleich es ihren Status nicht antastet. Die Sinn Féin sieht er als angepasste Kraft, die es sich inzwischen im System bequem eingerichtet hat.

Jochen Bittner/Christian Ludwig Knoll
Ein unperfekter Frieden
Die IRA auf dem Weg vom Mythos zur Mafia
Verlag Rita Fischer, 2001
ISBN 3-83010-315-8
Euro 19,50

Er hat es weit gebracht, seit er vor 20 Jahren zusammen mit Christian Ludwig Knoll seine in einer mehrmonatigen Recherchearbeit vor Ort erarbeitete IRA-Monographie „Ein unperfekter Frieden“ publizierte. Damals noch Nachwuchsjournalist, ist er inzwischen als Redakteur der ZEIT zu einem der wichtigsten Journalisten der deutschen Mainstreammedien aufgestiegen. Gleichwohl, nicht ganz unumstritten durch seine Nähe zu atlantischen Netzwerken und Lobbygruppen.

Dennoch, „Ein unperfekter Frieden“ ist eines der besten Bücher über die IRA und ihren Einfluß auf die katholische Gemeinschaft in Nordirland. Besondere Aufmerksamkeit widmen sich Bittner/Knoll dabei dem brutalen Justizsystem der IRA, welches sich bis heute mit Knieschüssen Geltung verschafft. Die an anderer Stelle von Sinn Féin-Funktionären vorgebrachte Schutzbehauptung, daß die Bevölkerung – ja, sogar die Opfer dieses Systems – die Strafen akzeptierten und der IRA das Recht dazu zusprechen, wird als reiner Zynismus entlarvt. Hiernach ist kein Platz mehr für Freiheitskampf-Romantik.

In der vorliegenden zweiten, überarbeiteten Auflage vom August 2001 schließen die Autoren ihr Vorwort mit einem pessimistischen Ausblick, in welchem sie die Skepsis des Unionisten-Politikers David Trimble am Friedenswillen der Republikaner für berechtigt anerkennen. Angesichts der zunehmenden Stärke der Dissidentengruppen, der stockenden Entwaffnung der IRA und der fortgesetzten Selbstjustiz der Paramilitärs könne mitnichten von einem „historischen Durchbruch“ die Rede sein.

Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.)
Nordirland
Geschichte Landschaft Kultur & Touren

Die Werkstatt, 1996
ISBN 3-89533-177-5
Euro 25,50

Dieser Reiseführer ist für jeden Besucher Nordirlands ein ebenso wichtiges Utensil wie der obligatorische Regenschirm! Hier ist auf 475 Seiten alles an Informationen für eine gelungene Tour enthalten. Neben einer historischen Darstellung des Konflikts gibt es zahlreiche, detaillierte Orts- und Landschaftsbeschreibungen, die nicht allein den Bürgerkriegstourismus berücksichtigen, sondern auch andere Aspekte des Landes zur Geltung kommen lassen.

Die im umfangreichen Anhang enthaltenen Hinweise von A (wie Anreise) bis Z (wie Zoo) haben allerdings den Nachteil, daß sie keine Internetadressen enthalten. Es wäre daher wünschenswert, daß eine Neuauflage dieses Buches von 1996 entsprechend an das Informationszeitalter angepasst würde. Zumal sich in dieser schnellebigen Zeit wahrscheinlich auch andere Informationen aus diesem Buch schon überholt haben dürften.

Thomas Hennessy
A History of Northern Ireland 1920-1996
St. Martin’s Press, 1997
ISBN 0-312-22752-3 (Pbk.)
Euro 17,73

Mein erstes Geschichtsbuch über Nordirland im englischen Original ist „A History Of Northern Ireland“ des Wissenschaftlers Dr. Thomas Hennessey, der an der Politik-Abteilung der Queen’s University of Belfast forscht. Es hat mir bislang sehr viele Dienste erwiesen. Seine Darstellung des Nordirland-Konfliktes ist eine der umfassendsten und behandelt den Zeitraum von der irischen Teilung 1920 an bis 1996, als der Friedensprozeß zu Keimen begann. Interessenten seien vorgewarnt: das akademische Englisch dieses Buches dürfte für viele Deutsche selbst mit Hochschulreife nur schwer verständlich sein. Wer es lesen will, braucht also viel Zeit und ein gutes Dictionary.